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Was ist das denn?! Dieses Dokument enthält einen oder mehrere Überlieferungsfehler!

Der Kopist fröhnte entweder gerade seiner Trunksucht oder das Licht im Skriptorium war zu schwach. Das Dokument Rural Legends enthält Logikfehler, entweder intern oder im Kontext des Gesamtgefüges. Und zwar: Das Dokument verwendet Jahreszahlen und Gegenstände aus unserem Universum
Bitte beseitige diese Ungereimtheiten, damit das Dokument in der Bibliothek anerkannt werden kann. Sollte sich in absehbarer Zeit an dem Zustand nichts ändern, so wird das Papier den reinigen Flammen des Ofenfeuers übergeben.

Im Gegensatz zu den Urban Legends (Städtische Legenden) bezeichnet man mit Rural Legends (Ländliche Legenden) populäre Irrtümer, die sich auf das Tierreich, die Natur oder das Landleben allgemein beziehen.
Rural Legends werden weitaus häufiger für bare Münze gehalten als ihre städtischen Pendants. So dürften mittlerweile die meisten Menschen almählich mitbekommen haben, dass die Mär von der AIDS-Spritze im Kinosessel, vorsichtig ausgedrückt, eine Verarsche war, aber über 60% der Leute denkt tatsächlich, dass das Reh das "Weibchen vom Hirsch" sei.

Nachffolgend eine Liste der hartnäckigsten Irrtümer.

Aus dem Reich der Hirsche

Roe

Ein Rehbock

Vertreter der Familie der Cervidae scheinen aus welchem Grund auch immer ein gesteigertes Potential für das Schaffen von Missverständnissen zu besitzen. Eine ganze Reihe von Rural Legends dreht sich um sie.

Das Reh ist das Weibchen vom Hirsch

Mit der Unfug, der sich am zähesten hält. Das Reh ist eine eigene Tierart. Der Hirsch ist es nicht.
Es gibt unzählige Hirscharten, das Reh ist eine davon. Was der unbedarfte Städter sich unter "dem Hirsch" vorstellt, ist zumeist der Europaübliche Rothirsch (Cervus Elaphus). Dessen Weibchen heisst übrigens Hirschkuh, oder veraltet Hindin. Der Jäger sagt auch Hirschtier. Das Junge nennt man Hirschkalb.

Doch zurück zum Reh. Diese ART (Capreolus capreolus) trägt die Namen: Rehbock für das Männchen, Ricke oder Rehgeiss für das Weibchen und Rehkitz für das Junge.

Elk ist Englisch für Elch

Ein populpärer Irrtum der aber wenigstens aufgrund der Namensähnlichkeit nachvolleziehbar ist. Nein, ein Elk ist kein Elch. Der Elk wird zu deutsch Wapitihirsch genannt und ist eine dem Rothirsch nahe verwandte Hirschart, die in Nordamerika lebt. Elks sind sehr gross und haben ein mächtiges, allerdings nicht schaufelartiges Geweih. Der klassische Elch heisst auf Amerikanisch "Moose". Der Elk ist übrigens das Wappentier Amerikaniens

Hirsche haben Hörner auf dem Kopf

Haben sie nicht. Nein, wirklich nicht. Eine Kuh hat Hörner. Oder eine Gemse. Hirsche haben Geweihe. Ein Geweih ist ein Knochen, der jedes Jahr abgeworfen wird und dann neu und grösser nachwächst. Hornträger wie Ziegen, Kühe usw werfen ihre Kopfwaffen nicht ab. Das Horn wächst kontinuierlich, das ganze Leben lang.

Der Bambi-Irrtum

Cerf

Ein Elk (Wapiti Hirsch) - kein Elch!

Hier wirds etwas kompliziert:

Am Anfang war das Buch Bambi von Felix Salten, in welchem Bambi ein europäischs Reh ist. In der Amerikanischen Ausgabe hat der Übersetzer vermutlich nicht so recht gewusst was ein Reh ist, da es in Amerika keine Rehe gibt. Also übersetzte er es mit "Deer".

Hätte er etwas mehr recherchiert wäre er noch darauf gekommen, dass er "Roe Deer" hätte schreiben müssen und damit den seit nun fast 70 Jahren grassierenden Bambi-Irrtum verhindert.
Aber er schreibt nur "Deer", was eigentlich "Hirsch" heisst, in Amerika aber umgangsprachlich den Whitetail-Deer meint, den Weisswedel-Hirsch.
Der Weisswedelhirsch ist etwas grösser als das europäische Reh, hat ein nach vorne gebogenes Geweih, besetzt aber ansonsten in etwa die selbe ökologische Nische wie das Reh in Europa.


Nun liest Walt Disney das Buch, liest "Deer" und stellt in seinem Film natürlich amerikanische Weisswedel-Hirsche dar. Dass das Buch ursprünglich aus Österreich stammt, wo es wiederum keine Weisswedelhirsche gibt ist ihm einerlei, falls er diese Inkohärenz überhaupt je bemerkt hat.

Nun kommt der Walt Disney Bambi-Film nach Europa und Deutschland und dort assoziieren, aufgrund des Buches die meisten Menschen das Wort "Bambi" wiederum, mit "Reh". Leider assoziieren sie nur, offenbar ohne wirklich zu wissen, wie ein Reh eigentlich genau aussieht und prägen sich daher das Bild des amerikanischen Weisswedelhirsches als "Reh" ein.

Zu allem Unglück übersetzen seither fast alle Synchronfassungs-Schreiber "Deer" mit "Reh", so dass die meisten in US-Amerikanischen Filmen gezeigten Weisswedelhirsche dem deutschsprachigen Publikum so konsequent wie falsch als "Rehe" vorgestellt werden.

von Kühen

Das Rind ist eine Kuh, die noch nicht gekalbt hat.

Auch hier, vermischung von Artname und Geschlechtsbezeichnung. Das Rind, genauer gesagt, das Hausrind (Bos Taurus) ist eine Art (aus der Familie der Bovidea), will heissen es gibt wiederum verschiedene Rinderarten. Eine Kuh, die noch nicht gekalbt hat, nennt man Färse.

Von Pferden

Pferde haben keine Nieren, der Urin geht direkt durchs Blut

Ein - mann kann es nicht anders sagen - kruder Aberglaube, der sich bis weit ins Zwanzigste Jahrhundert hineiein gehalten hat und von einigen Leuten sogar heute noch geglaubt wird.
Das ist umso unfassbarer, als dass es nur ein wenig logischen Denkens bedürfte um zu erkennen, dass diese Behauptung nichts als Schwachfug sei KANN. Schon die Behauptung: "Der Urin geht direkt durchs Blut" wirft die Frage auf, wie er denn erst mal in selbiges kommt. Durch die Magenwand oder wie? Und wie filtert die Harnröhre den Urin hernach wieder aus dem Blut?

Pferde haben natürlich Nieren.

Da dieser haarsträubende Blödsinn häufig als "Erklärung" herangezogen wurde, warum Pferdefleisch angeblich süsslich schmecke, darf man annehmen, dass diese Legende den Menschen den Appetit auf Pferdefleisch verderben sollte. Siehe auch die Behauptung, Onanie verursache Rückenmarkschäden.

Essen

Wer Kirschen gegessen hat, sollte 2 Stunden nichts trinken, ansonsten erleidet er einen tödlichen Magenkollaps

Dieser Müll hat sich glücklicherweise nur regional gehalten. Wer diese Rural Legend also nicht kennt, soll einfach froh sein in einer weniger rückständigen Gegend zu wohnen.

Die Behauptung korreliert eng mit dem allgemeinen Aberglauben, dass "zuviel trinken" (gemeint ist aber nicht Alkohol) schädlich sei, vorallem für Kinder. Wer in einer entsprechend geistig verfinsterten Gegend früher als vor ca 30 Jahren aufgewachsen ist, wird das noch kennen: Nicht EINEN Schluck konnte man nehmen, ohne dass irgendein Erwachsener mahnte, dass zuviel ungesund sei. Im Hitzesommer 1978 kam es bei den Kindern dieser Regionen massenhaft zu Nierenschäden und schwersten Dehydrierungen woraufhin eine staaatliche Aufklärungskampagne diesen Irrglauben auszurotten versuchte. In diesem Zuge ist dann auch die Kirschenstory verschwunden.

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