Der fünfte Tag im Dreierbande Prozess.
Auf diesen Prozesstag hatten viele internationale Beobachter besonders gewartet, denn angekündigt war die Vernehmung der Zeugen rund im die berüchtigten Scheiterhaufen-Prozesse des Jed Bush. Die Ehrenloge war prominent besetzt, mit Präsident Kennedy einerseits, aber auch Frau Tzitzitlini Coatlicue Tenoch Hase aus dem Aztekenreich, Achmed Aydin, Sekretär des rammsteinischen Ministers Bruno Brummschädel und Kryptohistoriker Sebastian Hupfner aus Aquanopolis andererseits.
Es kam zu kleinen Irritationen, als der Präsident seine Abneigung kundtat, mit Herren Hupfner eine Loge teilen zu müssen. Schliesslich setzte sich Herr Achmed Aydin zwischen die beiden, sozusagen als Puffer, obwohl diese Sitzordnung so nicht ganz dem Protokol entsprach. Richter Spencer Gabriel eröffnete die Verhandlung und bat Staatsanwalt Robert Kennedy, den nächsten Zeugen hereinzubitten. Verteidiger Elijah Carter sass auf seinem Platz und beobachtete das Geschehen.
Vernehmung des Zeugen Jerry Chickenfack[]
Der Zeuge Jerry Chickenfack betrat den Saal. Ein Raunen ging durch die Zuschauerränge, beim Anblick des einäugigen Mannes, dessen rechte, leere Augenhöhle unbedeckt aus dem Gesicht klaffte.
Robert F. Kennedy: Mister Chickenfack. Was ist ihr derzeitiger Beruf?
Jerry Chickenfack: Ich arbeite Stundenweise in der städtischen Müllverbrennungsanlage.
Robert F. Kennedy: Stundenweise? Reicht da ihr Einkommen zum überleben?
Jerry Chickenfack: Ich beziehe zusätzlich Arbeitslosengeld.
Robert F. Kennedy: Aha. Sagen Sie mal, sowas wie Arbeitslosengeld gab es im alten Regime noch nicht, oder?
Jerry Chickenfack: Da brauchte ich es ja auch nicht. Ich hatte einen Ganztagsjob.
Robert F. Kennedy: Und damit war Ihre Welt auch schon voll in Ordnung, wie? Solange Sie einen Ganztagsjob haben, braucht es sowas wie Arbeitslosengeld nicht.
Jerry Chickenfack: Ey, wollen Sie mich jetzt andissen, oder was?
Robert F. Kennedy: Kommen wir auf den Punkt. Ihr Ganztagsjob im Alten Regime war der des städtischen Henkers, nicht wahr?
Jerry Chickenfack: Yep.
Robert F. Kennedy: Wieviele Todesurteile haben Sie pro Monat vollstreckt?
Jerry Chickenfack: So 10 bis 15.
Robert F. Kennedy: 10 bis 15?
Jerry Chickenfack: Naja, das kommt drauf an, manchmal waren es weniger, manchmal auch mehr.
Elijah Carter: Einspruch Euer Ehren, was soll denn diese langweilige Buchhalter-Diskussion?
Robert F. Kennedy: Langweilige Buchhalter-Diskusson? Ja, so kann man es natürlich auch nennen, wenn man denn so kaltschnäuzig ist, menschliche Schicksale auf die Zahlen zu reduzieren!
Richter Gabriel: Abgelehnt, fahren Sie fort Mister Kennedy.
Robert F. Kennedy: Also gut, um die Verteidigung nicht länger mit Zahlen zu langweilen, kommen wir konkret auf einen bestimmten Zeitraum zu sprechen: Erinneren Sie sich an den Juli 1789?
Jerry Chickenfack: Ja, klar.
Robert F. Kennedy: Was ist damals passiert, genauer gesagt, am 12, Juli 1789?
Jerry Chickenfack: Da habe ich mein Auge verloren.
Robert F. Kennedy: Und wie ist das passiert? Jetzt lassen Sie sich nicht jeden Wurm einzeln aus der Nase ziehen!
Frau Tzitzitlini Coatlicue Tenoch Hase: Iii, was für ein unapetitlicher Aphorismus.
Robert Kennedy wandte sich der Ehrenloge zu:
Robert F. Kennedy: Ich bitte um Vergebung, Frau Hase. Der Apetitlichkeitsgrad der Worte war dem des Angeklagten angepasst.
Richter Gabriel: Vertiefen wir das nicht. Fahren Sie fort, Herr Staatsanwalt. Und Sie, Mister Chickenfack, plaudern jetzt ruhig mal ein bisschen locker vom Hocker. Seien Sie mal nicht so mundfaul.
Robert F. Kennedy: Also?
Jerry Chickenfack: das war bei der Hinrichtung dieses Gesocks, 20 Stück auf einmal. Stress total, alles sollte perfekt sein, Die Bauchladenhändler bestellten Extra Nachschub, die Kapelle spielte sich einen Wolf - ein richtiges Volksfest zum abfeiern eben. Als die Scheiterhaufen schon brannten, hat sich der Anführer dieser Asozialen losgerissen und mir voll einen armdicken, brennenden Ast in die Fresse gedonnert. Direkt ins Auge. Naja, musste dann im Krankenhaus ausgekratzt werden. Scheisspenner, gottverdammter! Habe später noch mal extra auf dem seine Asche gespuckt: Scheisse!
Ein Raunen ging durch den Saal. Die Zuschauer tuschelten.
Achmed Aydin: *Beugt sich von der Loge herunter* Ey, wie krass bis Du den drauf, Alda!?
Jerry Chickenfack: Halts Maul, Arschloch!
Richter Gabriel: *Haut mit dem Hammer auf das Pult* Schluss jetzt! Sind wir hier im Tollhaus?! 100 Gulden Ordnungsgeld, Mister Chickenfack! Und das nächste mal gibts gleich drei Tage Ordnungshaft, haben wir uns verstanden?!
Robert F. Kennedy: Nun, ich stimme dem ehrenwerten Sekretär des rammsteinischen Aussen- und Verteidigungsministers zu. Der Zeuge ist wirklich « krass drauf ». Der Mann, der die Frechheit besass, sich in der Stunde seines Todes gegen seinen Peiniger und Henker zu wehren hiess übrigens Gary Childerwood. Sein Verbrechen bestand darin, dass er an einem Sonntag, nachdem er über 5 Tage nichts mehr zu essen gehabt hatte und seine Kinder schon vor Hunger schrien, zusammen mit anderen Bewohnern des Christchurcher Southends, dem Armenviertel der Stadt, vor die Prunkvilla Jed Bushs zogen und um Arbeit und Essen bat. War es nicht so, Mister Chickenfack?
Jerry Chickenfack: Wenn Sie das sagen.
Robert F. Kennedy: Die Menschen hatten keine Transparente oder mit einschlägigen Parolen beschriftete Bettlaken dabei, ganz einfach, weil sie Analphabeten waren und daher keine anfertigen konnten. Jed Bush fühlte sich von der schweigenden Menschenmenge bedroht und liess sie wegen Landfriedensbruch und versuchten Attentas auf ihn verhaften, einkerkern und in weniger als einem Tag zum Tode auf dem Scheiterhaufen verurteilen. 20 Männer und Frauen, die nur Hunger hatten!!! Keine weiteren Fragen. Ihr Zeuge, Mister Carter!
Elijah Carter: Mister Chickenfack: Können Sie Lesen und Schreiben?
Jerry Chickenfack: Ich? Nein.
Elijah Carter: Wie hoch war – und ist - eigentlich der Prozentsatz an Analphabeten in Dixieland und speziell in Christchurch vor der Eroberung, gemessen an der Gesamtbevölkerung? *Chickenfack guckt blöd* - Schon gut ich werde es Ihnen sagen: 75 Prozent! Exakt 35 Prozent der Dixieländischen Bevölkerung gehört zu der oberen Schicht, die eine Schulbildung gebossen haben. Der Rest sind Sklaven, Arme und sonstige, sozial Benachteiligte, die nie eine Schule von innen gesehen haben.
Robert F. Kennedy: Darf ich fragen, worauf Sie hinaus wollen?
Elijah Carter: Dass Sie, Herr Staatsanwalt es so darstellen wollen, dass man unter dem alten Regime alleine wegen Armseins auf dem Scheiterhaufen landete. Wäre dem so, hätte man aber mittlerweile bereits mehr als die Hälfte der Bevölkerung abgefackelt. Dass auch Menschen ohne Schulbildung einen Platz im System fanden, beweist Herr Chickenfak selber.
Robert F. Kennedy: Ja, als hirnloser Scharfrichter! Toller Platz!
Elijah Carter: Ich habe ja nicht gesagt, dass das nun ein erstrebenswerter Job ist und ich sage auch nicht, dass ich das ganze gut finde, aber...
Robert F. Kennedy: ...Sie sagen, dass die Opfer rund um Gary Childerwood selber schuld waren, dass man sie bestialisch abgeschlachtet hat!
Elijah Carter: Nein, DAS nicht. In Dixieland können Zusammenrottungen als Landfriedensbruch gedeutet werden und darauf steht die Todesstrafe. Das muss uns nicht gefallen, aber es ist nun mal so. Jed Bush handelte im Rahmen des geltenden Gesetzes, ebenso wie dieses tumbe Individuum hier *zeigt verächtlich auf den Zeugen Chickenfack* im Rahmen seiner gesellschaftlichen Rolle und seinen geistigen Fähigkeiten handelte. Die Gruppe um Gary Childerwood handelte wiederum aus ihrer Situation und deren Vorausetzungen heraus. Im Ganzen ergab das ein tödlicher Mix. Scheisse gelaufen eben.
Robert F. Kennedy: Mir bleibt die Spucke weg! Wir reden hier von einem unfassbaren Verbrechen, einem Schlag ins Gesicht der Zivilisation, einem Akt beispielloser Barbarei und DAS nennen Sie « Scheisse gelaufen »? Euer Ehren! Das darf doch wohl nicht wahr sein, dass der Verteidiger hier ungestraft die Opfer verhöhnen darf, noch dazu in Anwesenheit des Präsidenten! » *Robert zeigt mit einer schwungvollen Geste in Richtung seines Bruders auf der Ehrenloge*
Richter Gabriel: Mister Carter, ich muss der Staatsanwaltschaft zustimmen. Ihre Äusserung war grenzwertig und geschmacklos.
Elijah Carter: Euer Ehren, ich entschuldige mich. Beim Präsidenten, beim Gericht und bei den Opfern. Es lag nicht in meiner Absicht, irgendjemanden zu verhöhnen.
Richter Gabriel: Noch Fragen an den Zeugen, Mister Carter?
Elijah Carter: Nein.
Robert F. Kennedy: Auch nicht! Man schaffe mir dieses Subjekt aus den Augen, ehe mir noch das Frühstück hochkommt.
Richter Gabriel: Nun gut. Die Verhandlung wird auf übermorgen, den 25. Januar vertagt. dann wird der Angeklagte Jed Bush aussagen.