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Prozess1


Der erste Tag im Dreierbande Prozess.

Die Verhandlung begang um 9:30 Ortszeit. Die Zuschauerränge waren restlos belegt und die Ordnungskräfte mussten bei einigen Prügeleien um die letzten Plätze dazwischengehen. Es wurden Platzverweise und Bussgelder verhängt.

Als die Kutsche von Oberstaatsanwalt Robert F. Kennedy heranrollte, kam es unter der Menschenmenge spontan sowohl zu Buhrufen als auch zu Jubel. Wiederum musste die Polizei gewaltbereite Demonstranten beider Lager voneinander trennen. Der Gefangenenwagen mit den drei Angeklagten wurde von einer bewaffneten Reiterstaffel eskortiert. Auch hier zeigte sich die tiefe Zerissenheit der Christchurcher Bevölkerung: Einige wehten mit "Wir lieben Euch - Bush forever"-Transparenten, während andere wütend "Verreckt, Drecksäue!" skandierten.

Eröffnung[]

Bobbyanwalt

Ein engagierter Robert Kennedy macht die Angeklagten in seinem Eröffnungsplädoyer so richtig schlecht.

Gleich zu Beginn der Verhandlung machte Richter Spencer Gabriel klar, dass er keinerlei Ausfälligkeiten seitens des Publikums dulden werde: "Da draussen warten genug Leute, die sich über jeden fei gewordenen Platz freuen, also verhalten Sie sich ruhig, sonst wechseln hier die Stühle ganz schnell ihre Besitzer."
Die Angeklagten wurden hereingebracht. Als ein Mann diese mit einen mitgebrachten Klopümpel bewarf, machte Richter Gabriel seine Akündigung gleich wahr: Saalverweis und 30 Gulden Busse waren die Quittung für dieses ungebührliche Verhalten.

Die Angeklagten nahmen mit versteinerter Miene Platz. Die Feststellung der Personalien verlief ohne Zwischenfälle.

Dann verlas Staatsanwalt Kennedy die Anklage und sein Eröffnungsplädoyer:

Robert Kennedy: Ehrwürdiger Richter, verehrte Geschworene: Die Staatsanwaltschaft wirft den hier zugegenen Angeklagten Jed Bush, Deidre Bush und Hardy Hucklander folgende Straftaten zur Last: Sklaverei, Folter, Mord, Unterdrückung, Tierquälerei, Unterschlagung, Korruption und allgemeine Stuhlhaftigkeit. Der Einzeltaten sind es so extrem viele, dass es schier unmöglich ist, jede einzelne aufzuzählen. Einige werden wir in der Beweisaufnahme erläutern. Zusamenfassend lautet die Anklage auf: Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Einige von Ihnen werden sich vielleicht fragen: Was genau versteht er unter Menschlichkeit? Ist selbige nicht Interpretationssache? So manch einer tut Dinge im aufrechten Glauben, dass es gute Dinge seien, welche aber von anderen als schlecht empfunden werden. Und ist es nicht so, dass zwischen Gut und Böse oft ein weites Feld an fliessenden Übergängen liegt? Die Verteidigung wird Sie vermutlich davon überzeugen wollen, dass wir es hier mit kulturellen Unterschieden zu tun haben. Was ein Volk als schlecht betrachtet, gilt in einem anderen als gut oder zummindest neutral. Ist es nicht anmassend, eigene Wertvorstellungen über andere zu erheben?

Lassen sie sich keinen blauen Dunst vormachen, verehrte Geschworene! Wir haben es hier nicht mit einem kulturellen Problem zu tun. Sondern mit dem grundlegenden Wissen eines jeden Menschen über Recht und Unrecht. Dieses Wissen ist dem Menschen immanent, unabhängig von Herkunft, Rasse und Religion. Darum lautet die Anklage ja auch: Verbrechen gegen die Menschlichkeit!
Wer anderen mutwillig und obwohl er genausogut anders handeln könnte Leid zufügt, unterdrückt und vom Glück fernhält, wer anderen Rechte vorenthält, die er für sich selber aber beansprucht, der verstösst gegen die Menschlichkeit. Und verdammt noch mal - das weiss er auch und wenn er meinetwegen noch so dämlich, oberflächlich und beschränkt ist.

Wer also solches tut, sei es aus Gier, Machthunger oder einfach nur purem Sadismus, der tut es wider besseres Wissen, aus purer Bösartigkeit. Und Bösartigkeit gehört bestraft!

Fraubush

Mit versteinerter Miene hört Deidre Bush der Anklage zu

Im Falle der Angeklagten hatte die Bösartigkeit nicht nur Methode, war notorisch und geradezu eklige Routine, sie war von ihnen auch noch zum Vorbild erhoben worden! Gepredigt als moralischer Leitfaden von Hardy Hucklander, der im Namen seines ohnehin nicht übertrieben freundlichen Gottes Hass und Intoleranz zu Tugenden erhob! Konsequent angewendet von Jed Bush, der sein Amt dazu nutzte, sich zu bereichern, in feister Gleichgültigkeit gegenüber dem von ihm verursachten Leid. Und nicht zu letzt grausam ausgelebt durch Deidre Bush, die hemmungslos ihrem krankhaften Sadismus fröhnte.

Verehrte Geschworene, ehrwüriger Richter: Ich werde niemals den Tag vergessen, als ich damals kurz nach der Einnahme von Christchurch mit den Besatzungstruppen hier ankam. Nirgendwo auf der Welt hatte ich zuvor solche menschenverachtenden Zustände erlebt wie hier: 80% Analphabetismus, Krankheiten, Armut und Verrohung. Nur einer kleinen, dekadenten Minderheit ging es dafür umso besser. Sie vertrieben sich die Zeit mit Fressgelagen, öffentlichen Auspeitschungen von ungehorsamen Sklaven und den grausamen Katzenverbrennungen von Frau Bush. Mein Bruder hat seither eine Menge geleistet: Bildung, Krankenversorgung für alle und grundlegede Rechte für jeden Menschen. Viel ist passiert und es wird noch viel mehr geschehen, denn dies ist erst der Anfang. Damit der Neuanfang aber wirklich gelingen kann, muss das alte nicht nur beseitigt, sondern auch bewältigt werden. Und dazu gehört, dass wir diesen Angeklagten, welche Schuld an so unendlich viel Leid sind, verurteilen und bestrafen."

Robert Kennedy knallte die Anklageschrift auf seinen Pult und setzte sich schnaubend hin.

Richter Gabriel: Herr Verteidiger, Sie haben das Wort Ihr Eröffnungsplädoyer, bitte.

Eine Zuschauerin: Wozu??! Verpiss Dich Arschloch! Köpft die Schweine!

Richter Gabriel: 20 Gulden Ordnunsgeld und Platzverweis! Ich habe doch gesagt, ich will keinerlei Störung! Der nächste der meint, sich lautstark Luft machen zu müssen, bekommt zusätzlich zwei Tage Ordnungshaft, Sapperlott!

Verteidiger Elijah Carter stand auf. Etwas unsicher blickte er in die Zuschauerränge. Dann griff er nach seinen Dokumenten, blättert sie durch, setzte seine Brille auf und wieder ab.

Elijah Carter: Schulen für alle. Gerechtigkeit für alle. Die kostenlosen Medizinstationen, die Sozialberatungstellen, Verbot von Prügelstrafe, verbot von Tierqälerei, überhaupt Ächtung von Gewalt in jeder Form.
Gewiss, es sind eine ganze Menge Neuerungen im Tross der Eroberer mitgereist und viele Christchurcher sind diesen Neuerungen nicht abgeneigt. Präsident Kennedy hat uns zweifellos nahegebracht, was er unter dem von der Anklage so oft zitierten Schlagwort "Menschlichkeit" versteht. Und ja, ich ziehe das Leben unter dem neuen Regime dem alten vor. Es ist – nun ja - *Anwalt schmunzelt charmant* ...menschlicher. Mit dieser Feststellung könnten wir den Prozess eigentlich auch gleich beenden, denn nur darum, so seien wir doch mal ehrlich, geht es der Anklage letzten Endes.
Und glauben Sie mir, verehrte Geschworene, Zuschauer und Euer Ehren, dabei sollten wir es auch bewenden lassen.

Reverendhuck

Reverend Hucklander blickt finster drein

Unbegreiflicherweise ist es der Wille von Präsident Kennedy – hier vertreten durch seinen Bruder – dass die Überlegenheit seiner Ideologie auch gerichtlich bestätigt wird. Und spätestens da bewegen wir uns auf dünnem Eis.
Ja, dank den Kennedies wissen wir nun eine Menge über die Menschlichkeit. Wir wissen es JETZT.

Und genau das ist der Punkt. Den Angeklagten wird vorgeworfen, dass sie nicht schon vorher von den Grundsätzen der kennedyanischen Menschlichkeit gewusst und nach ihr gehandelt haben

Robert F. Kennedy: Nicht die Kennedyanische Menschlichkeit, DIE Menschlichkeit und die ist universell!

Richter Gabriel: Mister Kennedy!! Sie hatten ihren Auftritt! Was soll denn das? Fahren Sie fort, Herr Verteidiger.

Elijah Carter: Danke Euer Ehren.
Kürzlich las ich ein Interview mit dem Präsidenten, wo er das Regime der Angeklagten als "mittelalterlich" bezeichnete. Ich musste mich erst mal informieren, was dieser Begriff überhaupt bedeutet. Wie vermutlich die meisten hier im Saal hatte ich das Wort noch nie gehört. Ich fand schliesslich heraus – und das ist wirklich eine exquisite Pointe – dass es sich dabei um ein historisches Zeitalter aus jener Welt und jenem Leben handelt, an dass sich JFK zu erinnern glaubt. Die Christchurcher waren zummindest vor der Eroberung Christen. Christen glauben nicht an die Seelenwanderung, sollen aber nun einen Begriff aus einem früheren Leben JFK's als relevanten Masstab zur Beurteilung ihrer ehemaligen Führung anwenden? Also bei aller Sympathie, aber hier geht die "Reverse Crusade" dann doch zu weit.
Ich verlange von niemandem, dass er die Angeklagten liebt. Sie können sie gerne von Herzen verachten und hassen. Aber gerade wenn Sie sich den neuen Werten von Rechtstaatlichkeit und Aufklärung verpflichtet fühlen, ja, paradoxerweise, gerade wenn Sie ein überzeugter Kennedyaner sind, dann sprechen Sie diese drei Menschen frei. Ganz einfach deswegen, weil ihre Verbrechen, als sie sie begingen, noch keine waren. Sie handelten im Rahmen ihrer Kultur und ihrer Erziehung.

Verteidiger Carter setzte sich wieder hin.

Richter Gabriel: Danke, Mister Carter. Ich schlage vor, wir treten nun in die Beweisaufnahme ein und rufen den ersten Zeugen auf.

Doch noch ehe der Richter fortfahren konnte, wurde die Tür zum Gerichtsaal aufgestossen: Eine Gruppe Christchurcherinnen stürmte in den Saal und bewarf die Angeklagten mit Blumen. "Wir halten zu Euch" riefen sie und "Wir lieben Dich, Jed!". Die Gerichtsdiener können schliesslich die Demonstrantinnen bändigen, wenngleich nur mit viel Mühe. Unruhe ergriff die Zuschauerränge. Einige beschimpften die Frauen als "Tyrannenschlampen" und "Diktatorengroupies", wieder andere aber klatschten. Richter Gabriel hämmerte wütend auf seinen Pult und ordnete schliesslich die Räumung des Saales sowie die Vertagung des Prozesses auf Morgen an.

Zweiter Verhandlungstag

Dreierbande2
DER DREIERBANDE PROZESS

Eröffnungsplädoyers * Zweiter Verhandlungstag * Dritter Verhandlungstag * Vierter Verhandlungstag * Fünfter Verhandlungstag *
Sechster Verhandlungstag * Siebter Verhandlungstag * Achter Verhandlungstag * Schlussplädoyers
* Das Urteil

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