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Prozess2


Der zweite Tag im Dreierbande Prozesss.

Die Verhandlung begann wie am Vortag um 9:30. Diesmal gab es jedoch verstärkte Personenkontrollen. Um zu verhindern, dass Zuschauer Wurfgeschosse mit in den Sitzungsaal nehmen wurden vereinzelt sogar Leibesvisitationen durchgeführt. Drei Steakmesser, eine hölzerne Strumpfkugel, fünf Eier jenseits des Verfallsdatums und eine tote Ratte wurden dabei vorsichtshalber sichergestellt.

Eintritt in die Beweisaufnahme[]

Gabriel

Richter Spencer Gabriel

Richter Spencer Gabriel eröffnete die Sitzung und wies Staatsanwalt Robert F. Kennedy an, seinen ersten Zeugen aufzurufen.

Robert F. Kennedy: Hohes Gericht, die Anklage ruft den Zeugen Walter Kuyrumi auf.

Elijah Carter: Einspruch! Dieser Zeuge ist nicht auf meiner Liste!

Robert F. Kennedy: Natürlich ist er das.

Elijah Carter: Wedelt empört mit seinen Dokumenten. Das ist er nicht!

Robert F. Kennedy: Schauen Sie unter "Bibi" nach.

Elijah Carter: Bitte?

Robert F. Kennedy: Bibi. Schauen Sie auf Iher Liste nach einem Bibi.

Richter Gabriel: Mister Kennedy, würden Sie uns bitte so langsam aufklären. Ich schätze derlei Possen nicht.

Robert F. Kennedy: Gerne Euer Ehren. Dieser Zeuge war Sklave unter dem alten Regime und wurde als solcher einfach Bibi genannt. Wie Sie vielleicht wissen, gehörte es zu den ersten Massnahmen meines Bruders, es den nunmehr freien Sklaven zu ermöglichen sich einen eigenen, frei gewählten Namen zu geben und selbigen registrieren zu lassen. Mein Zeuge wählte den namen Walter Kuyrumi.

Richter Gabriel: Die Anwälte zu mir nach vorn!

Kennedy und Carter schritten vor das Richterpult, Carter war sichtbar verärgert.

Elijah Carter: Euer Ehren, das war ein ganz billiges Manöver! Eine richtig linke Tour!

Robert F. Kennedy: Was heisst hier linke Tour? Du meine Güte, jezt kommen Sie aber mal runter! Auf Ihrer Liste stand noch der Sklavenname und auf meiner schon der neue Bürgername. Eine kleine adminstrative Panne bringt sie dermassen in Rage?

Elijah Carter: Panne, dass ich nicht lache! Den Geschworenen sollte die Sache mit den Sklavennamen so richtig zu Bewusstsein gemacht werden, als Einstimmung sozusagen! Unterste Schublade, das!

Richter Gabriel: Wir werden nicht auf die Schnelle klären können wer für diese, wie Sie sagen "administrative Panne", verantwortlich ist. Aber ich warne Sie schon mal vorsorglich, Mister Kennedy! Keine Tricks dieser Art! Haben wir uns verstanden?

Robert F. Kennedy: Gewiss, Euer Ehren.

Beide Anwälte entfernten sich wieder vom Richterpult. Der Zeuge wurde in den Saal gerufen. Herr Kuyrumi humpelte mühselig bis zum Zeugenstand, wo er umständlich Platz nahm. Richter Gabriel nahm die Personalien auf und wies dann Kennedy an, mit der Befragung anzufangen.

Robert F. Kennedy: Mister Kuyrumi, ist es richtig, dass Sie früher einfach "Bibi" genannt wurden?

Elijah Carter: EINSPRUCH! Fängt das jetzt schon wieder an!? Also das sollte langsam selbst Ihnen zu blöd sein, Kennedy!

Robert F. Kennedy: Euer Ehren, Thema der Befragung ist nun mal Mister Kuyrumis früheres Dasein als Sklave. Ich kann diese Namenssache nicht einfach ausblenden, nur weil Kollege Carter warum auch immer ein Problem damit hat.

Richter Gabriel: Einspruch abgelehnt, machen Sie weiter, Kennedy. Ich hoffe aber, Sie gedenken irgendwann mal die Thematik zu erweitern.

Robert F. Kennedy: Mister Kuyrumi: Wer gab ihnen den Namen "Bibi"?

Zeuge Kuyrumi hatte sichtlich Schwierigkeiten, zu antworten. Er war nervös und verkrampfte seine Hände an den Lehnen seines Stuhls.

Zeuge1

Zeuge Walter Kuyrumi

Walter Kuyrumi: Unser Besitzer.

Robert F. Kennedy: Und Ihre Eltern? Hatten die Ihnen keinen Namen gegeben?

Walter Kuyrumi: *Schweigt, senkt den Kopf* Doch.

Robert F. Kennedy: Und wie lautete der?

Walter Kuyrumi: Ich...weiss es nicht mehr.

Robert F. Kennedy: Sie wissen es nicht mehr? Gibt es einen Grund, warum Sie Ihren Namen vergessen haben?

Walter Kuyrumi: Ich musste es.

Robert F. Kennedy: Erklären Sie bitte dem Gericht, was Sie damit meinen.

Walter Kuyrumi senkt den Kopf und schweigt.

Robert F. Kennedy: Mister Kuyrumi, geht es? Können Sie uns sagen, warum Sie den Namen, den Ihnen ihre Mutter gab, vergessen haben.

Elijah Carter: Euer Ehren, der Zeuge ist offensichtlich nicht in der Verfassung, eine Aussage zu machen. Es stellt sich die Frage, ob wir uns dieses mühselige Verhör nicht einfach schenken können.

Robert F. Kennedy: Einfach alle traumatisierten Menschen von der Verhandlung ausschliessen? Das könnte Ihnen so passen, Carter! Dann würden der Staatsanwaltschaft tatsächlich die Zeugen ausgehen und die Angeklagten müssten wegen Mangel an Beweisen frei gesprochen werden. Euer Ehren! Dass meine Zeugen so richtig fertig sind, ist doch verdammt noch mal Gegenstand dieses Prozesses!

Richter Gabriel: Mässigen Sie Ihren Ton, Mister Kennedy! Wenn der Zeuge nicht vernehmungsfähig ist, hilft Ihnen alles Geschrei nichts. Das heisst aber nicht, dass wir nicht in Rücksicht auf die Umstände etwas Geduld mitbringen könnnen, nicht wahr Mister Carter, ich...

Walter Kuyrumi: Ich war 4 jahre alt.

Elijah Carter: Was?

Robert F. Kennedy: Seien Sie still, Carter! Mein Zeuge macht eine Aussage! Fahren Sie fort, Mister Kuyrumi.

Walter Kuyrumi: Ich war 4 Jahre alt und spielte bei dem Brunnen. Meine Mutter rief mich. Ich rannte zu ihr, da - da tauchte unser Besitzer auf. Er hat sie angeschrien: DU SOLLST DEM BALG DOCH KEINEN NAMEN GEBEN! Dann hat er sie ins Gesicht geschlagen. Er hat sie getreten und...er hat sie noch mal getreten. Und noch mal und noch mal! Ich habe geschrien aber er hat nicht aufgehört. Und dann war da überall nur noch Blut. Ihr Gesicht war nicht mehr zu erkennen und sie hat sich nicht mehr gerührt.

Kuyrumi sank schluchzend in sich zusammen.

Walter Kuyrumi: Ich habe vergessen, wie der Name war, mit der mich meine Mutter rief. Ich habe das letzte, was meine Mutter zu mir sagte vergessen!

Im Saal war es nun totenstill. Irgendwo schneuzte sich eine Zuschauerin. Halb erstarrt, halb in Ehrfurcht warteten alle, dass sich der Zeuge wieder fasste. Dann fuhr Kennedy mit milder Stimme fort:

Carter

Verteidiger Elijah Carter

Robert F. Kennedy: Mister Kuyrumi, war es normal, dass die Sklaven ihren Kindern keine Namen geben durften?

Walter Kuyrumi: Es hiess "Das Vieh gibt sich ja auch nicht selber Namen, sondern der Besitzer tut das".

Robert F. Kennedy: Mister Kuyrumi. Ich habe keine weiteren Fragen. Danke, dass Sie hier waren. Ich weiss, es war nicht leicht für Sie. Ihr Zeuge, Mister Carter.

Elijah Carter: Mister Kuyrumi. Auch ich bin mir bewusst, welche Kraft Sie das hier kostet und werde mich daher sehr kurz fassen. Wie hiess Ihr Besitzer? Der, der ihre Mutter ermordet hat?

Walter Kuyrumi: Jake Brookwood.

Elijah Carter: Brookwood? Nicht Jed Bush.

Walter Kuyrumi: Nein.

Elijah Carter: War Jed Bush einer ihrer späteren Besitzer?

Walter Kuyrumi: Nein.

Elijah Carter: Sind Sie Jed Bush überhaupt schon einmal begegnet?

Walter Kuyrumi: Nein.

Elijah Carter: Keine weiteren Fragen.

Richter Gabriel: Der Zeuge ist entlassen. Danke, Mister Kuyrumi.

Walter Kuyrumi erhob sich mühsam aus dem Zeugenstand. Als er an Robert Kennedy vorbei kam, blieb er stehen.

Walter Kuyrumi: Mister Kennedy, würden Sie bitte Ihrem Bruder sagen, dass er der wunderbarste Mensch auf der Welt ist? Würden Sie das bitte für mich tun?

Robert F. Kennedy: Selbstverständlich.

Elijah Carter: Euer Ehren! Ich beantrage diese Bemerkung aus dem Protokoll streichen zu lassen! Die persönliche Wertschätzung des Präsidenten durch den Zeugen ist irrelevant!

Richter Gabriel: Etwas Gleichmut, Herr Verteidiger! Die Geschworenen werden die Angeklagten kaum deswegen verurteilen, weil Mister Kuyrumi den Präsidenten mag.

Elijah Carter: Euer Ehren, Sie wissen doch was ich meine!

Richter Gabriel: Wir werden darüber jetzt nicht diskutieren! So oder so, werde ich die Verhandlung auf Morgen vertagen. Sie sind sicher mit mir einer Meinung, dass diese Zeugenaussage emotional und nervlich belastend war. Wir werden morgen alle eher in der Lage sein, frisch und mit der gebotenen Distanz an die weitere Beweisaunahme zu gehen.

Richter Gabriel knallte daraufhin seinen Hammer auf den Tisch, erhob sich und liess den Saal räumen.


Dreierbande2
DER DREIERBANDE PROZESS

Eröffnungsplädoyers * Zweiter Verhandlungstag * Dritter Verhandlungstag * Vierter Verhandlungstag * Fünfter Verhandlungstag *
Sechster Verhandlungstag * Siebter Verhandlungstag * Achter Verhandlungstag * Schlussplädoyers
* Das Urteil

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