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Die Ur-Amerikanier[]

Die Frage nach "den ersten Menschen" war schon immer von besonderem Interesse, aber auch selten ohne Brisanz. Das gilt sowohl für die Ursprünge im Sinne jener der Gattung Homo Sapiens, wie auch für die Herkunft eines bestimmten Volkes.
Welche Ethnie, welcher Stamm als erstes einen Kontinent oder ein Land besiedelte ist unweigerlich mit der Frage der nationalen Identität eines Landes verbunden und manchmal auch mit der scheinbaren Legitimität oder Illegitilität der heute dort lebenden Bevölkerung.
Solche diffuse Befindlichkeiten erschweren mitunter die Arbeit von Archäologen, vorallem dann, wenn das Ergebnis nicht in politische Konzepte passt.

Lange Zeit galt in der Archäologie als gesicherte Erkenntnis, dass die erste Besiedlung Amerikaniens ungefähr 10'000 v.Gdurch Stämme erfolgte, die aus dem Gebiet des heutigen Cambodia auswanderten. Sie bildeten die Vorfahren der Indianer. Wesentlich später, ungefähr 3000 v.G, kamen dann keltische Stämme aus Irland in das Land (Zweite Siedlungswelle). Aus ihnen gingen die amerikanensischen Kelten hervor.

Die Spuren der fruhen indianischen und keltischen Siedlungen sind durch zahlreiche Ausgrabungen dokumentiert. Zusammen mit den Mythen und Überlieferungen der jeweiligen noch heute lebenden Stämme, lässt sich die Frühgeschichte Amerikaniens relativ gut dokumentieren.

Der Fund in den Aspen Woods[]

Pfeil

Die Pfeilspitze aus den Aspen Woods

Am 16. September 1732 machte ein Ereignis dem Konsens, der in der Wissenschaft bezüglich der ersten Besiedlung bis Dato geherrscht hatte, ein abruptes Ende: John Witherstone, seines Zeichens Advokat in Old York, verbrachte seinen Urlaub in einem Landhaus am Rande der Great Aspen Woods. Tage zuvor, als er mit seinem Einspänner zu der kleinen Versorgungsstation weiter südlich fahren wollte, verirrte er sich wegen eines heftigen Unwettes in den Aspen Woods. Tagelang stolperte er durch die endlosen Espenwälder, meinte in jeder Lichtung den Waldrand zu erkennen und geriet dabei nur noch tiefer in das unbekannte Gehölz - auf Pfaden, die vermutlich vor ihm kein moderner Mensch je beschritten hatte.
Als sich nach einem weiteren Tag erfolglosen Herumstreifens der Hunger meldete, beschloss Witherstone, sich Jagdwerkzeug zu bauen. Aus Weideruten schnitzte er Pfeil und Bogen zurecht und suchte hernach nach einem spitzen Stein, den er mit seinem Schnürsenkel an den Pfeilstab binden könnte. Nach einer kurzen Zeit des Suchens stiess er auf eine Ansammlung Steine, die vielversprechend aussah. Er durchwühlte sie und fand dabei überraschend eine fertige, kunstvoll zurechtgehauene Pfeilspitze aus Feuerstein.
Er band sie an seinen Pfeil und legte sich auf die Lauer. Es gelang ihm, eine Hirschkuh zu erlegen. "Der Pfeil hatte eine geradzu erstaunliche Durchschlagkraft. Die Hirschkuh war sofort tot" berichtete er später. Vier Tage danach fand Witherstone den Weg aus dem Wald, zurück zu Haus und Familie.

Die Acatlotzin-Expedition[]

Die gefundene Pfeilspitze hatte er mitgenommen und brachte sie, nunmehr wieder nach Old York zurück gekehrt, dem archälogischen Museum. Ihn interessierte, welcher Stamm sie angefertigt hatte. Das Ergebis bedeutete eine kleine Sensation: Trotz intensiver Recherche war kein Experte in der Lage, die Pfeilspitze einer bekannten Kultur zuzuordnen, weder einer vergangener, noch einer gegenwärtiger.
Die Kunde von der unbekannten Pfeilspitze verbreitete sich in der Fachwelt wie ein Lauffeuer. Schliesslich sandte man das Artefakt unter hohen Sicherheitsvorkehrungen an die Unversität von Tenochtitlan, um mittels dort gerade neu eingeführter Datierungsmethoden das Alter der Pfeilspitze zu bestimmen. Das Ergebnis löste eine zweite Sensation aus: "Wie sich nach wiederholten, von einander unabhängig durchgeführten Test herausgestellt hat, ist das besagte Artefakt mindestens 25'000 Jahre alt, das heisst, es stammt aus der frühen Neuen Eiszeit, ungefähr 23'00 vG. Es stammt daher von einer noch unbekannten Bevölkerung" verkündete Professor Acatlotzin an einer Pressekonferenz am 3. Februar 1633.

Es dauerte nicht lange, bis das Ergebnis hinterfragt wurde. Vorallem die Datierungsmethode, die darauf basiert, Mikro-Sedimente, die sich in den Ritzen der bearbeiteten Stellen abgelagert hatten, einem bestimmten Zeitraum zuzuorden, stiess auf heftige Kritik: "Der Stein selbst ist uralt und das Sediment auch, soviel steht fest,aber wann der Stein genau bearbeitet wurde lässt sich nur ermitteln - und auch das nur ungenau - wenn man das Umfeld wo er gefunden wurde untersucht und eventuelle Beifunde analysiert" wendete Charles Rugpline, Professor an der Universität in London ein. Dem stimmte die Fachwelt zu und so wurde schliesslich beschlossen, den Fundort ausfindig zu machen.
John Witherstone willigte ein, im Sommer 1733 eine Expedition unter der Leitung von Professor Acatlotzin in die Aspen Woods zu begleiten, in der Hoffnung, diese zum Fundort führen zu können. Auch zwei Archälogen von der Univesität Brookline, James Sheridan und Mike Blue-Bear waren dabei, ebenso drei Soldaten des 36. Kavallerie Regimentes und eine Köchin.
Dem Unterfangen wurde mit viel Skepsis begegnet. Man bezweifelte, dass Witherstone in der Lage sei, die Stelle nach Monaten wiederzufinden.

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Der Erdrutsch

Tatsächlich stand die Expedition zunächt unter keinem guten Stern. Obwohl man im Vorfeld akkribisch versucht hatte, Witherstones Odyssee auf der Karte zu rekonstruieren, erwies sich das Gelände als viel zu schlecht kartographiert um die Route korrekt nachvollziehen zu können. Zu allem Unglück tobte ein tagelanger Sturm durch die Wälder und brachte den Tross mehr als einmal in ernsthafte Gefahr. Nach drei Wochen ergebnisloser Suche in der tiefen Wildnis des amerikanensischen Nordens, beschloss Professor Acatlotzin schliesslich, das Unternehmen abzuberechen: "Wir waren alle so ziemlich am Ende unserer Kräfte. Die Vorräte schwanden und wir hatten bereits zwei Tragtiere verloren. Uzsuhaia, unsere Köchin, hatte sich eine Magenverstimmung geholt und musste sich andauernd übergeben. John Witherstone war ebenfalls mutlos geworden. Hatte er zu Beginn der Expedition den Fundort noch hinter jedem Baum vermutet, so gestand er nun, nicht einmal mehr eine ungefähre Ahnung zu haben, wo dieser sein könnte. Es war höchste Zeit umzukehren."

Am Nachmittag des 3. Juli 1733 überquerte die Expedition einen Hügelgrat. Die durch tagelange Regenfälle aufgeweichte Erde kam unter den Hufen der Pferde und Mulis ins Rutschen und brach plötzlich auf ganzer Breite weg. "Tier und Mensch wurden mitgerissen, polterten den steilen Hang hinunter, dahinter folgte eine Lawine aus Erde, Gestein und Geröll."
Wie durch ein Wunder kam es lediglich zu leichten Verletzungen. Als sich die Mitglieder der Expedition wieder gesammelt hatten, machten sie eine überwältigende Entdeckung:
"Wir blickten den Hang hinauf und sahen erkwürdige weisse und glänzende Stellen. Als lägen Gegenstände auf der Erde. Instinktiv wollten wir nachsehen, doch zögerten wir erst aus Furcht, dass der Hang abermals ins rutschen käme. Also schlugen wir erst mal unser Lager etwas weiter weg auf. Am nächsten Morgen, aber wagten wir uns dann doch auf die Halde. Was uns dort erwartete werde ich nie vergesen."

Was Professor Acatlotzin und seine Gefährten fanden, gilt als einer der grössten archäologischen Sensationen der Geschichte: "überall lagen Pfeilspitze herum, aber auch anderes Werkzeug: Beile, Mörser, Speerspitzen, Fibeln und Skulpturen. Daneben unzählige Knochen und drei Schädel. Der Erdrutsch hatte einen Schatz ungeheuren Ausmasses freigelegt".

Die nächsten Tagen und Wochen verbrachte man damit, die Fundstelle akkribisch genau zu vermessen, jedes Stück zu katalogisieren und dessen Fundort genau zu kartographieren. Erdproben für die spätere Datierungsanalyse wurden entnommen und sorgfältigt verpackt und beschriftet.
Ein Ergebnis stand schon sehr früh fest und machte die eigentliche Sensation aus: Die Pfeilspitzen waren mit jener, die Witherstone gefunden hatte, nahezu identisch. Die anderen Fundstücke konnten wiederum keinem bislang bekannten Volk zugeordent werden, was die Theorie, dass man es hier mit einer bislang völlig unbekannten Kultur zu tun hatte, stärkte. Sie wurde nach dem Fundort, dem Emook-River, Emook-Kultur genannt.

Der mysteriöse Emook-Mensch[]

Der Fund erregte weltweit grosses Aufsehen. Nach drei Jahren intensiver Untersuchungen aller Artefakte an unterschiedlichen Institutionen, kam ein erster Abschlussbericht zu dem Ergebnis, dass die Funde tatsächlich mindestens 25'000 Jahre alt seien. Damit stand fest, dass die Besiedlung Amerikaniens rund 15'000 Jahre früher begonnen hatte, als bisher angenommen.
Die Debatte über die Identität dieser ersten Menschen wurde praktisch noch am selben Tag losgetreten und dauert in manchen Kreisen bis heute an. Eine Weisung des damals amtierenden Präsidenten Francis Kennedy belegt die hohe Brisanz des Themas: "Das Weisse Haus räumt der Untersuchung der Schädel und Knochen aus dem Emook-Fund einen ausserordentlich hohen Stellenwert ein und sichert den Experten-Teams den nötigen finaziellen Rückhalt zu. Die Frage, ob diese Überreste einer inidianischen, keltischen oder gar einer ganz anderen Ethnie zuzuordnen sind, brennt der Nation unter den Nägeln. Wie auch immer die Antwort ausfallen möge, ich bitte darum, selbige mit aller gebotener Diplomatie zu verkünden, um nicht Ressentiments und Chauvinismus Vorschub zu leisten. Jetzt schon hat diese unglückliche Debatte über den Ur-Amerikanier einiges an bösem Blut verursacht."

Die Antwort liess zunächst auf sich warten. Man war sich der Tragweite eines Resulates zu Gunsten der einen oder der anderen Hauptethnie Amerikaniens durchaus bewusst und wollte um jeden Preis einen Schnellschuss vermeiden. Je länger die Anthropologen die Gebeine untesuchten, desto mehr Rätsel gaben ihnen diese auf. Sie passten auf keine der in Frage kommenden Völkertypen.
Die Frage blieb daher zunächst offen. in den kommenden Jahren und Jahrzehnten kamen immer wieder neue Theorien auf, versuchten sich andere Experten an einer Analyse, ohne zu einem in der Fachwelt anerkannten Ergebnis zu kommen.


DNA-Analyse[]

Als im Jahre 1792 die DNA-Analyse die forensische Wissenschaft revolutionierte, schien auch die Lösung um das Geheimnis des Emook-Menschen in greifbare Nähe gerückt. Drei verschiedene Labors untersuchten unabhängig voneinander DNA Spuren sowohl der Gebeine aus dem Emook-Fund als auch solche aus keltischen und Indianischen Grabstätten der Frühzeit. Das Ergebnis brachte eine zweite Sensation: Nicht nur passtedDas Erbgut weder zu den indianischen, noch den keltischen Genpools, es war offensichtlich noch nicht mal menschlich. Der Anthropologe Professor Mark Chester umschrieb es so: "Die DNA der Emook-Gebeine sind definitiv nicht der Spezies Homo Sapiens zuzuordnen. Dies liess uns zunächt vermuten, dass der Emook-Mensch ähnlich wie der Neandarthaler in Europa, ein Seitenzweig der Familie der Hominidae darstellt. Nähere Untersuchung ergaben aber auch keine erkenbare Verwandtschaft zu irgendeinem Hominiden oder Primaten. Was wir hier haben ist ein Fall konvergenter Evolution, will heissen, der Emook-Mensch war eine eigenständige Spezies, ohne Verwandtschaft zum Menschen, der aber zufällig äusserlich wie ein solcher aussah und vermutlich auch ähnliche, geistige Fähigkeiten hatte, worauf die Herstellung und der Gebrauch von Werkzeugen hinweist. Genetisch ist er noch am nächsten mit den Huftieren verwandt."

Polemik und Bewertung[]

Dieses Ergebnis verfehlte seine Wirkung nicht. Eine wahre Veröffentlichungsflut von Büchern mit Theorien über den Emook-Menschen brach nicht nur über Amerikanien herein. Darunter teilweise haarsträubende Konstrukte. Sean Mc Collough, Kolumnist der Old York Times spottete im Jahre 1798: "Kein Wesen beflügelt die Fantasie dermassen wie der Emook-Mensch. Ob Ausserirdischer, Messias, der christliche Teufel - es gibt keinen Schuh, dem man diesen wehrlosen Knochen nicht anzieht. A propos Ausserirdische: Dies scheint ja die populärste Version zu sein. Ich frage mich, warum es so viel plausibler erscheint, dass intelligentes Leben aus dem All zu uns kommt, als dass sich selbiges ganz natülich auf der Erde entwickelt. Man muss ja nicht zwingend vom Homo Sapiens auf andere schliessen."
Offen ist die Debatte auch über der Frage, ob der Emook nun als "Ur-Amerikanier" zu gelten hat oder nicht. Befürworter weisen darauf hin, dass er ein intelligentes, Werkzeugproduzierendes Wesen war und daher natürlich und sogar als einzig legitimer, nativer Amerikanier zu gelten, hat während die späteren, indianisch-keltischen Siedler sozusagen fremde Eroberer waren. Gegner argumentieren damit, dass der Titel "erster Mensch in Amerikanien" per Definition auch ein Mensch sein müsse, was auf den Emook nicht zutrifft.
Es wird vermutlich noch einige Zeit dauern, bis die vielen, ungelösten Rätsel rund um den Emook-Menschen gelöst sind. Eine der vordringlichsten Fragen ist die seines Verschwindens. Ist er von alleine ausgestorben, oder sind sogar die ersten menschlichen Siedler für sein Ende verantwortlich? Die Theorie, dass sich Emook und frühe, indianische Einwanderer miteinander vermischt hätten kann als widerlegt gelten, da sich ansonsten Teile des Emook-Genpools auch in den heute lebenden Nachfahren nachweisen lassen müsste. Dem ist jedoch nicht so. Es ist ohnehin unwahrscheinlich, dass sich die beiden Spezies untereinander fortpflanzen konnten.
Im Moment werden die Mythen und Sagen von Indianern und Kelten dahingehend untersucht, ob sich darin Hinweise auf eine Begegnung der Einwanderer mit dem Emook finden lassen.

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